Tag 1: Strategien für mehr Spenden – digitale Hilfe und klinische Teamarbeit
Besonders praxisnah begann der erste Vortragsblock. Christoph Rosenthal, Assistenzarzt für Anästhesie und Intensivmedizin sowie Transplantationsbeauftragter an der Asklepios Klinik St. Georg, präsentierte unter dem Titel „Eine E-Mail, die Leben verändern könnte?!“ den Einsatz des Tools DETECT. Dieses identifiziert automatisch mögliche Organspender im Krankenhaus und generiert eine E-Mail an die Transplantationsbeauftragten – ein algorithmisches Frühwarnsystem, das dafür sorgen soll, dass jeder potenzielle Organspender identifiziert wird.
Im Anschluss zeigten zwei Kliniker, wie konkrete Maßnahmen im Alltag die Spendebereitschaft und -zahlen erhöhen können.
PD Dr. med. Thomas Weig, Personaloberarzt und Leiter der neurochirurgisch-anästhesiologischen Intensivstation am Klinikum der LMU München, stellte „pragmatische Maßnahmen“ vor, die in seinem Haus zu spürbaren Verbesserungen führten. Dabei betonte er klar strukturierte Abläufe und konsequente Kommunikation als zentrale Erfolgsfaktoren.
Ähnlich berichtete PD Dr. med. habil. Florian Raimann, Oberarzt und Haupttransplantationsbeauftragter am Universitätsklinikum Frankfurt am Main. Seine „Strategien zur Steigerung der Organspende auf Krankenhausebene“ unterstrichen die Bedeutung gelebter interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Intensivmedizin, OP-Teams und Pflege – ein immer wiederkehrendes Kernmotiv des gesamten Kongresses.
Bei einer Organspende geht es nicht nur um medizinische Fragestellungen. Im Kontext der Organspende zeigt sich auch deutlich, wie eine Gesellschaft mit dem Thema Tod umgeht. Viele Menschen, auch Mitarbeitende auf den Intensivstationen, scheuen sich davor offen über dieses Thema zu sprechen. Darum ging es in dem Vortrag „Organspende im Kontext von End-of-Life-Entscheidungen – was ist wichtig mit Blick auf die (intensivmedizinische) Therapie?“ von Dr. med. Stefan Meier, Oberarzt, Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Düsseldorf. Er hat dargelegt, dass die Frage nach einer möglichen Organspende eine von vielen Entscheidungen ist, über die am Lebensende offen gesprochen werden sollte.
Am frühen Abend sorgte Dr. med. Gertrud Greif-Higer, Dozentin an der Universitätsmedizin Mainz sowie Vorsitzende des Ethikkomitees des Landeskrankenhauses Mainz, für einen viel diskutierten Beitrag. Ihr Vortrag „Organspende, Tod und Moral – wie geht das?“ beleuchtete die gesellschaftliche und philosophische Einordnung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls. Das starke Publikumsinteresse zeigte, wie zentral die ethische Debatte für Akzeptanz und Verständnis der Organspende bleibt.
Tag 2: Herausforderungen bei Patienten mit Herz-Kreislaufunterstützung – und ein Blick in die Zukunft
Der zweite Kongresstag widmete sich unter anderem den komplexen Fragen rund um ECMO und mechanische Kreislaufunterstützung. Fallvorstellungen von Dr. med. Domagoj Damjanovic (Universitätsklinikum Freiburg) und Dr. med. Dr. med. univ. Jan Beckendorf (Uniklinikum Heidelberg) verdeutlichten die schwierigen Entscheidungen, die sich bei LVAD-, RVAD- oder ECMO-Patienten im Kontext einer möglichen Organspende ergeben.
PD Dr. med. Farid Salih, Oberarzt an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, machte in seinem Vortrag zur IHA-Feststellung bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Unterstützungssystemen deutlich, wie anspruchsvoll und zugleich essenziell eine präzise Diagnostik unter ECMO- und anderen Supportbedingungen ist und welche speziellen Kriterien hierbei berücksichtigt werden müssen. Der hohe Gesprächsbedarf am Ende der Vorträge zeigte, das große Interesse der Teilnehmenden an diesem Thema.
Ein technischer Ausblick folgte durch Serge Vogelaar, Senior Medical Advisor bei Organ Recovery Systems. Er stellte die Maschinenperfusion für Spendernieren vor – ein Verfahren, das die DSO im Januar 2026 deutschlandweit einführt. Die Perfusion soll Organqualität erhalten und die Zahl erfolgreich transplantierbarer Nieren erhöhen – ein bedeutender Fortschritt, wie auch der Kaufmännische Vorstand der DSO, Thomas Biet, zuvor betont hatte. Insbesondere für Organe von Spenderinnen und Spendern mit erweiterten Kriterien eröffne das Verfahren neue Möglichkeiten. „Mit der Maschinenperfusion wird eine schonendere Konservierung von Spendernieren möglich, wodurch sich die Chancen erhöhen, dass mehr Organe erfolgreich transplantiert werden können“, erklärte Biet.
Der Rückblick auf die World Transplant Games, die in diesem Jahr in Deutschland in Dresden stattfanden, machte allen Anwesenden noch einmal deutlich, welche Chancen Organspenden und schließlich Transplantationen bieten. Sie ermöglichen den Organempfängern nicht nur das Überleben, sondern ein aktives und erfülltes Leben mit Zielen und Erfolgen.
Infostände: Praxis zum Anfassen
Neben den Vorträgen bot der Kongress den Teilnehmenden die Möglichkeit, technische Innovationen unmittelbar kennenzulernen. Am Stand zur Maschinenperfusion konnten Besucherinnen und Besucher das Gerät aus nächster Nähe betrachten und sich die einzelnen Schritte der Organperfusion und -konservierung erklären lassen. Auch der Stand zur neuen App DSO-LeitfadenPLUS war gut frequentiert: Hier informierten Mitarbeitende über Funktionen, Einsatzmöglichkeiten und den praktischen Nutzen der App, die den Kliniken künftig einen noch schnelleren Zugriff auf wichtige Abläufe, Formulare und Ansprechpartner im Organspendeprozess ermöglicht.
Fazit
Mit über 800 Teilnehmenden bleibt der DSO-Kongress ein zentraler Treffpunkt der Transplantationsmedizin. Die Kombination aus digitalen Innovationen, praxisorientierten Strategien, ethischen Diskussionen und technologischen Zukunftsmodellen zeigte, wie vielschichtig die Herausforderungen der Organspende sind. Gleichzeitig wurde deutlich: Fortschritt entsteht überall dort, wo Menschen Veränderungsbereitschaft zeigen, moderne Tools nutzen – und das Thema Organspende bewusst und routiniert in den Arbeitsalltag integrieren.