Über 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten zwei Tage lang auf der 18. Jahrestagung der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) über aktuelle Entwicklungen im Bereich Organspende und Transplantation. Erneut waren mehr als die Hälfte von ihnen Transplantationsbeauftragte, die sich in den Kliniken unter anderem um die wichtige Aufgabe kümmern, mögliche Organspender zu erkennen. Das große Interesse an der Fortbildungsveranstaltung sieht der Medizinische Vorstand der DSO, Dr. med. Axel Rahmel, als Bestätigung dafür, dass der Kongress eine wichtige Plattform darstellt, um sich gemeinsam über medizinische Fortschritte und politische Neuerungen auszutauschen und den Wissenstransfer im Organspendeprozess zu fördern. In Zeiten des anhaltenden Organmangels stand dabei insbesondere die Frage im Fokus, mit welchen Maßnahmen sowohl die Spendererkennung als auch die Organqualität verbessert werden können, um möglichst viele Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten mit einem passenden Organ zu versorgen, das langfristig seine Funktion behält.
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Mit Blick auf die wachsende Zahl der chronischen Nierenerkrankungen sei dies mehr als dringlich, betonte Prof. Dr. med. Herrmann-Joseph Pavenstädt, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie, in seinem Vortrag. 100.000 Menschen in Deutschland sind demzufolge an der Dialyse, über 10 Millionen leben mit chronischer oder akuter Nierenschädigung, was zukünftig zu mehr nierenkranken Patienten mit einer schlechten Prognose führe. Die Hoffnung der Experten richtet sich dabei zum einen darauf, den Bedarf an Transplantationen durch eine verbesserte medikamentöse Therapie der Nierenerkrankungen zu reduzieren. Zum anderen wird von der Maschinenperfusion, deren Einführung im nächsten Jahr geplant ist, erwartet, dass die Zahl der für eine Transplantation geeigneten Spendernieren steigen wird. Auch die DSO verspricht sich von der Maschinenperfusion eine verbesserte Organqualität. Sie reduziere die Ischämieschäden, man könne die Qualität der Organe besser beurteilen und sie teils auch behandeln, um die Funktion zu verbessern.
Wie die Qualität der Spenderorgane beurteilt und optimiert werden kann, war Thema zweier Vorträge zu thorakalen und viszeralen Organen. Auch hier gilt, dass möglichst kein geeignetes Organ verloren gehen soll und dass zudem auch eine geeignete Empfängerauswahl entscheidend dazu beiträgt, damit die Transplantation ein Erfolg wird. PD Dr. med. Wiebke Sommer vom Uniklinikum Heidelberg referierte dabei zu Lunge und Herz, beides Organe, die von dem massiven Spendermangel hierzulande betroffen sind. Ihr Kollege vom Uniklinikum Tübingen, Dr. med. Markus Quante, sah ähnlichen Bedarf bei Leber, Pankreas und Nieren und verwies zudem auf die Richtlinie zum Empfängerschutz der Bundesärztekammer, die die für die Spender- und Organcharakterisierung notwendigen Untersuchungen darlegt. Wichtig war zudem sein Hinweis auf die hilfreichen Unterstützungsangebote der DSO, zum einen auf die Befundbögen für die verschiedenen bildgebenden Verfahren, zum anderen auf das etablierte Spenderinformationssystem DSO.isys web, das alle entsprechenden Informationen und Daten bündelt und so eine Abfrage aller medizinischen Daten und Untersuchungen im Organspendeprozess ermöglicht. Der Arzt wies zudem auf ein Szenario hin, dass sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch verstärken wird und Auswirkungen auf die Qualität von Spenderorganen, aber auch auf den Bedarf an Organen sowie die Transplantierfähigkeit von Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten habe – die zunehmende Prävalenz der Adipositas in Deutschland. So nehme beispielsweise mit steigender Zahl von nicht-alkoholischen Fettlebern auch das Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom zu.
Um die gesundheitlichen Risiken für die Organempfänger, insbesondere das Risiko der Übertragung von Krankheiten, so gering wie möglich zu halten, kommen oftmals histologische Untersuchungen zum Einsatz. Hier präsentierte Prof. Dr. med. Peter J. Wild, Universitätsklinikum Frankfurt MVZ GmbH, eine neue Methode zur Beurteilung der Spendereignung in der Pathologie. Das VivaScope, ein spezielles Mikroskop, ermöglicht eine zeiteffiziente Unterscheidung zwischen pathologischem und gesundem Gewebe in Echtzeit. Diese Digitalisierung der Transplantatbeurteilung sei ein enormer Fortschritt, da unter Umständen selbst noch im OP eine Beurteilung stattfinden könne und eine längere Wartezeit damit entfalle. Die ersten Anwendungen bei Lebern seien vielversprechend, was die Ergebnisse im Vergleich zu histologischen Auswertungen betreffe – hier scheine die künstliche Intelligenz in den meisten Diagnosen überlegen zu sein.
Auch zwei andere technische Errungenschaften, die in den letzten Jahren vorgestellt wurden bzw. sich bereits etabliert haben, standen erneut im Rampenlicht: Das schon erwähnte DSO.isys web gehört zu den vielen Unterstützungsangeboten, die die DSO den Kliniken zur Verfügung stellt, um die Abläufe während einer Organspende zu erleichtern und zudem schnell und effizient an Daten zu gelangen. Der DSO-Koordinator Stefan Stölting stellte dem Publikum die neuesten Funktionen und Merkmale des Systems vor, das einen langen Weg genommen hat von handschriftlichen Bögen bis hin zu einer effizienten Software, die insbesondere den Transplantationsbeauftragten in den Entnahmekliniken die Arbeit erleichtert.
Dr. med. Anne Trabitzsch von der Uniklinik Dresden und der DSO-Koordinator Konrad Pleul informierten die Besucher an einem Infostand über das Screeningtool DETECT, das eine frühe und systematische Spendererkennung ermöglicht. An der Entwicklung war auch die DSO beteiligt. DETECT filtert die regelhaft erhobenen Daten der Patienten und Patientinnen, die aktuell auf den Intensivstationen behandelt werden. Hierbei sucht es anhand definierter Parameter, die als Indikatoren für einen potenziell eintretenden irreversiblen Hirnfunktionsausfall gelten, die relevanten Fälle heraus.
„Allerdings können all diese Bemühungen um eine verbesserte Gewährleistung der Organqualität, die von der DSO initiiert oder mit unterstützt werden, nichts daran ändern, dass wir immer noch einen eklatanten Mangel an Spenderorganen haben“, zieht der Medizinische DSO-Vorstand Rahmel am Ende des 18. Jahreskongresses sein Fazit. Hier sei auch die Politik gefordert, einen Paradigmenwechsel hin zu einer Kultur der Organspende zu unterstützen, dabei könne beispielsweise die Diskussion um eine Widerspruchsregelung einen Beitrag leisten.