9.1 Voraussetzungen
Die Entnahme von Spenderorganen ist an zwei unabdingbare rechtliche Voraussetzungen geknüpft:
Bei Vorliegen eines nicht natürlichen Todes oder einer ungeklärten Todesart ist zusätzlich die Freigabe durch den Staatsanwalt erforderlich (s. 05. Staatsanwaltschaft). Die staatsanwaltschaftliche Freigabe ist unter Umständen mit Auflagen für den Ablauf der Operation verbunden, z.B. Anwesenheit eines Rechtsmediziners bei der Organentnahme.
Die Entnahme von Organen bei verstorbenen Spendern darf nur in Entnahmekrankenhäusern nach
§ 9a Transplantationsgesetz (TPG) durchgeführt werden und gehört gemäß
§ 11 TPG zum Versorgungsauftrag des Entnahmekrankenhauses. Die damit zusammenhängende Dokumentation klinikseitiger Leistungen (beteiligtes Klinikpersonal, Verbrauchsmaterial etc.) und insbesondere die Dokumentation der organfunktionserhaltenden Maßnahmen beim Spender obliegt dem Entnahmekrankenhaus.
Die mögliche Entnahme und Übertragung eines vermittlungspflichtigen Organs hat Vorrang vor der Entnahme von Geweben, sie darf nicht durch eine Gewebeentnahme beeinträchtigt werden.
Die Terminierung der Entnahme ist zwischen Koordinierungsstelle, Entnahmekrankenhaus sowie den Entnahmeteams abzustimmen. Sind die organisatorischen Voraussetzungen für die Entnahme geschaffen, ist die Entnahme vordringlich und darf nicht durch elektive Operationen verzögert werden (s. Richtlinie der Bundesärztekammer zur Spendererkennung gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 TPG).
Jede postmortale Organentnahme hat in einer angemessenen und friedvollen Atmosphäre stattzufinden. Die Wünsche des Organspenders und der Angehörigen sind jederzeit und vorbehaltlos zu respektieren. Die würdevolle Behandlung des Verstorbenen ist oberstes Prinzip und Verpflichtung für alle an der Entnahmeoperation beteiligten Personen (s. DTG Procurement Guidelines Transplant International ª 201; 24 (2011) 733–757).
9.1.1 Qualifikation der entnehmenden Ärzte
Für die Organentnahme organisiert die DSO einen Explantationsdienst speziell qualifizierter Chirurgen. Die Tätigkeit als Entnahmechirurg erfolgt in Deutschland auf Basis eines Vertrages mit der Koordinierungsstelle (DSO), während der Organentnahme sind die entnehmenden Ärzte somit DSO-Mitarbeiter.
Der Entnahmechirurg führt Organentnahmen mit der gleichen Sorgfalt und fachlichen Kompetenz durch, wie diese bei allen anderen chirurgischen Tätigkeiten üblich sind. Dies schließt auch die Wahrung der Würde des Verstorbenen ein.
Der verantwortliche Operateur hat die Anforderungen an die Qualifikation des entnehmenden Arztes zu erfüllen
(s. Richtlinien der Bundesärztekammer zum Empfängerschutz gemäß § 16 Abs. 1 S 1 Nr 4 a) und b) TPG).
Diese beinhalten neben der Facharztanerkennung und Kenntnissen in den speziellen Techniken der Organentnahme, -perfusion und -konservierung sowie der Organtransplantation auch den Nachweis von Mindestmengen an durchgeführten Entnahmen des jeweiligen Organs.
9.1.2 Die Beteiligten an der Entnahmeoperation
Teilnehmer seitens der DSO und der Transplantationszentren an der Organentnahme sind:
- DSO-Koordinator
Ansprechpartner und Unterstützung für alle Beteiligten und verantwortlich für die Koordination des gesamten Ablaufs der Organentnahme. - Entnahmechirurgen
- Entnahme der abdominellen Organe: erfolgt in der Regel durch Explantationsteams aus regionalen Transplantationszentren, unabhängig davon, ob diese eines der zu entnehmenden Organe über Eurotransplant für einen ihrer Wartelistenpatienten vermittelt bekommen haben
- Entnahme der thorakalen Organe: erfolgt in der Regel durch Explantationsteams aus Transplantationszentren, die das jeweilige Organ über Eurotransplant für einen ihrer Wartelistenpatienten vermittelt bekommen haben. Entsprechend können dies auch Entnahmeteams aus dem Ausland sein.
- Bei sehr seltenen und speziellen abdominellen Entnahmen, z.B. einer Entnahme unter Einschluss des Darms oder der Entnahme eines sog. Multiviszeralpakets, erfolgt auch hier die Entnahme durch ein Team aus dem Transplantationszentrum, welches das jeweilige Organ über Eurotransplant für einen ihrer Wartelistenpatienten vermittelt bekommen hat.
- Perfusionsdienstmitarbeiter
In der Regel Medizinstudenten im klinischen Abschnitt des Studiums. Sie unterstützen bei Vorbereitung und Durchführung von Perfusion, Konservierung und Verpackung der Organe. Dabei arbeiten sie in enger Absprache mit DSO-Koordinator, Chirurgen und OP-Pflegekräften.
Teilnehmer an der Organentnahme seitens des Entnahmekrankenhauses sind:
- Anästhesie-Team
- OP-Pflegekräfte
9.1.3 Feststellung der Anwesenden und Team-Time-Out
Der verantwortliche Entnahmechirurg je Entnahme-Team stellt sich sowie seine Teammitglieder mit Namen und Funktion vor und erläutert den geplanten Eingriff (Team-Time-Out).
Der verantwortliche Entnahmechirurg überzeugt sich vor dem Beginn der Organentnahme persönlich von der Identität des Organspenders, der vollständigen und korrekten Dokumentation des festgestellten irreversiblen Hirnfunktionsausfalls sowie vom Umfang der vorliegenden Einwilligung und überprüft die schriftlichen Blutgruppenbefunde. Diese Überprüfung wird in der Sicherheits-Checkliste Organentnahme dokumentiert (s. Materialien).
Hinweis
Das
Team-Time-Out vor der Organentnahme ist wie bei jeder anderen Operation obligat. Dabei werden in mehreren Stufen wiederholt von allen an der Operation beteiligten Mitarbeitern an Hand einer Checkliste letztmalig
- die Spenderidentität festgestellt,
- die rechtlichen und medizinischen Voraussetzungen geprüft und
- die Besonderheiten des Eingriffs besprochen.
9.2 Aufgaben des Anästhesie-Teams
Die Beteiligung an einer Organentnahme konfrontiert Anästhesisten und Anästhesie-Pflegekräfte mit ungewohnten Aufgaben. Sie betreuen eine Operation nicht mit dem gewohnten Ziel, einem Patienten zu helfen, sondern mit dem Ziel, die getroffene Entscheidung des Verstorbenen zur Organspende umzusetzen. Das Anästhesie-Team leistet dabei einen wichtigen Beitrag zum Transplantationserfolg, indem es die auf der Intensivstation eingeleiteten organprotektiven Maßnahmen bis zur Konservierung der Organe fortführt.
Vor der Organentnahme bestätigt der Anästhesist in der Sicherheits-Checkliste Organentnahme (s. Materialien) die Spenderidentität nach Übereinstimmung der personenbezogenen Daten mit der Patientenakte, den Protokollbögen zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls, der Todesbescheinigung und mit dem Identifikationsarmband des Verstorbenen.
9.2.1 Unterstützung des chirurgischen Eingriffs
Während der Organentnahme ist die Durchführung einer Vollnarkose nicht indiziert, da die Hirnfunktion irreversibel erloschen ist.
Unabhängig vom vollständigen und irreversiblen Ausfall der Hirnfunktionen bleiben Funktionen des vegetativen Nervensystems im Rückenmark (Sympathikus Th1-L3) erhalten, die zu Hypertonie, Tachykardie, (Hyper-)hidrose oder spinalen Automatismen führen können. Deshalb erhält der Organspender zur Optimierung der chirurgischen Tätigkeit (Unterdrückung spinaler Reflexe) eine Muskelrelaxans. Die Gabe von Opiaten kann zur Unterbindung kardiozirkulatorischer Reaktionen indiziert sein.
9.2.2 Beatmung und Homöostase
Das Anästhesie-Team ist für die Beatmung, die Hämodynamik und die Homöostase während der Organentnahme verantwortlich.
Bis zum Zeitpunkt der Organperfusion ist eine ausreichende Sauerstoffversorgung, eine optimale Herzkreislauffunktion und eine Aufrechterhaltung der Homöostase zu gewährleisten. Dazu ist eine adäquate Volumentherapie unter Berücksichtigung der Serumelektrolyte und der hämodynamischen Parameter notwendig. Daneben ist eine differenzierte Katecholamintherapie sowie eine an die Blutgasanalyse angepasste Beatmung erforderlich.
Die intraoperativen Maßnahmen erfolgen in enger Zusammenarbeit zwischen dem Anästhesie-Team, den chirurgischen Teams für die thorakalen und viszeralen Organe und dem DSO-Koordinator.
9.2.3 Medikation vor Perfusionsbeginn
Nachdem die Operateure die Präparation der Gefäße abgeschlossen haben und die Vorbereitungen für die Perfusion der Organe beendet sind, gibt die Anästhesie nach Rücksprache mit den Entnahmechirurgen 25.000 IE bzw. 300 IE/kgKG Heparin intravenös.
Alternative bei Z.n. HIT II (s. Kap. 7.3.8)
Gegebenenfalls kann auch die intravenöse Gabe von Prostaglandinen in Absprache mit den Operateuren vor Beginn der aortalen Perfusion indiziert sein. Diese werden in der Regel im Rahmen von zentrumsspezifischen Protokollen für die Herz- und/oder Lungenentnahme verwendet und von den Entnahmeteams mitgebracht.
9.2.4 Beendigung und Dokumentation der anästhesiologischen Betreuung
Mit der Perfusion der Organe durch eine gekühlte Konservierungslösung enden alle organprotektiven Intensivmaßnahmen einschließlich der Beatmung (Ausnahme Lungenentnahme). In der Folge kommt es zu einer Bradycardie und schließlich zur Asystolie.
Außer bei einer geplanten Lungenentnahme ist jetzt die Tätigkeit des Anästhesie-Teams bei der Organentnahme beendet.
Bei einer Lungenentnahme wird nach der kalten Perfusion die Beatmung zunächst fortgesetzt. Nach Beendigung der Präparation wird die maschinelle Beatmung durch eine manuelle Beatmung ersetzt, um die Lunge optimal zu entfalten.
Die Dokumentation der anästhesiologischen Betreuung des Organspenders erfolgt auf dem klinikinternen Narkoseprotokoll und ist in der Krankenakte abzulegen.
9.3 Aufgaben der OP-Pflegekräfte
Ziel der Entnahmeoperation ist es, die Spenderorgane mit ihren versorgenden Gefäßen und Strukturen so zu entnehmen und zu konservieren, dass sie technisch einwandfrei und möglichst mit sofort einsetzender Funktion transplantiert werden können.
Zur Assistenz sind eine OP-Pflegekraft im Operationsdienst und ein OP-Helfer (sog. Springer) erforderlich. Diese werden vom Entnahmekrankenhaus gestellt. Das regionale Entnahme-Team entnimmt in der Regel die viszeralen Organe. Die Operationsdauer beträgt zwischen 2–4 Stunden, je nach Umfang der Organentnahme.
9.3.1 Instrumente und Geräte
Bei Explantationen sind folgende Instrumente notwendig:
- Grundsieb
- Laparotomiesieb
- Abdominaltücher
- Abdominal- und Thoraxspreizer
- Gefäßklemmenset
- 1–2 sterile Nierenschalen
- 1–4 große, sterile Metallschüsseln
- verschiedene Ligaturen und Umstechungen (spezielles Nahtmaterial ist nicht erforderlich)
- Klammernahtgeräte bei Pankreas- oder Lungenentnahme (sofern vorhanden)
- 2 leistungsstarke Sauger Kapazität 15 –20 Liter (Auffangen von Blut und Perfusat)
- Bei Entnahme der Lunge extra Tisch für die “Back-Table-Präparation”, da dieser durch die Eröffnung der Trachea unsteril wird
- evtl. benötigte spezielle Instrumente werden von den Entnahme-Teams mitgebracht
9.3.2 Abdeckung und Desinfektion
Der Spender wird in Rückenlage mit abduzierten Armen gelagert. Die Abdeckung und Desinfektion erfolgt in der Regel vom Jugulum bis zur Symphyse.
9.4 Ablauf der Organentnahme
Vor dem Hautschnitt erfolgt ein erneutes kurzes Team-Time-Out für letzte Absprachen mit dem Anästhesie-Team und der OP-Pflege. Begonnen wird die Operation in der Regel vom abdominellen Entnahmeteam mit einer medianen Laparotomie und Sternotomie.
9.4.1 Inspektion der Organe und Präparation für die Perfusion
Zunächst erfolgt eine ausführliche abdominelle Exploration. Diese dient der ergänzenden Organcharakterisierung und zum Ausschluss eventueller Kontraindikationen (z.B. Tumor). Weitere Zusatzuntersuchungen (z.B. Pathologie, Mikrobiologie) sind gegebenenfalls notwendig.
Diese werden vom verantwortlichen Entnahmechirurgen indiziert und in der Regel in von der DSO beauftragten Vertragspathologien oder -laboren durchgeführt.
Als nächstes werden die distale Aorta abdominalis und die Aortenbifurkation präpariert und angezügelt, um gegebenenfalls eine sofortige aortale Perfusion vornehmen zu können. Die Vena cava inferior wird ebenfalls im Eintrittsbereich des kleinen Beckens angezügelt, als Zugang für die Entlastung des venösen Systems bei der Organperfusion. Als letzter vorbereitender Schritt zur Perfusion wird die Aorta direkt infradiaphragmal dargestellt und angezügelt.
Die weitergehende abdominelle Präparation ist davon abhängig, welche Organe entnommen werden.
Die thorakalen Entnahmeteams treten in der Regel eine Stunde nach dem abdominellen Team an den Tisch. Häufig sind die Teams bereits vorher im OP-Saal anwesend und führen in Absprache mit dem Anästhesie-Team noch letzte Untersuchungen (z.B. Bronchoskopie) des Organspenders durch.
Bei vorgesehener Entnahme von Herz bzw. Lungen erfolgt dann die Y-förmige Inzision des Perikards, das Anschlingen der Aorta ascendens und zweifaches Anschlingen der Vena cava superior. Nach Eröffnen der Pleura beidseits wird das Perikard bis an die Vena cava superior zur Einmündung der Vena azygos gespalten und die Aorta ascendens von der Arteria pulmonalis separiert.
9.4.2 Organperfusion
Die Vorbereitung und Durchführung der Perfusion übernimmt ein Perfusionsdienstmitarbeiter.
Die Perfusionssysteme zur Kanülierung der Gefäße für die abdominelle arterielle Perfusion bzw. zur Kanülierung der Aorta ascendens für die Perfusion des Herzens bzw. der Arteria pulmonalis für die Perfusion der Lungen werden vorbereitet und steril angereicht.
Nach erfolgter Gabe von 25.000 IE bzw. 300 IE/kg KG Heparin i.v. und Absprache zwischen den Entnahmeteams und dem Anästhesie-Team wird die Aorta subphrenisch und im Perikard abgeklemmt und die thorakalen und viszeralen Organe synchron mit der gekühlten Konservierungslösung perfundiert.
Die Entlastung des venösen Kreislaufsystems erfolgt durch die Drainage der Vena cava intrapericardial bzw. intraperitoneal.
In Ergänzung erfolgt die Oberflächenkühlung mit steriler Eiswasserlösung. Beides führt zu einer schnellen Abkühlung, zur Senkung des Sauerstoffverbrauchs und damit zur Reduktion des Stoffwechsels, was eine Funktionserhaltung der Organe unter Anoxie für eine beschränkte Zeit ermöglicht.
ACHTUNG
Die Perfusion ist ein wichtiger und kritischer Abschnitt der Entnahmeoperation. Ihr Gelingen ist eine essentielle Voraussetzung für die erfolgreiche Entnahme und Konservierung der Spenderorgane und damit für eine erfolgreiche Transplantation. Unabdingbar ist während dieser etwa 10 bis 15 Minuten dauernden Phase die enge Absprache aller Beteiligten im OP-Saal, um bei etwaigen Problemen schnellstmöglich reagieren und Organschäden verhindern zu können.
9.4.3 Entnahme der Organe
Nach erfolgter Perfusion und Kühlung werden zunächst die thorakalen Organe entnommen. Dann folgen Darm, Leber und Pankreas, gegebenenfalls en-bloc, beide Nieren.
Dabei gilt es, die Organe sehr zügig und dennoch mit größter Sorgfalt und Sicherheit zu entnehmen. Die Organentnahme erfolgt daher zum Teil unter Mitnahme benachbarter Strukturen (z.B. Leber mit Zwerchfellanteilen). Dies erfolgt unter sorgfältger Wahrung der Integrität der für die Transplantation erforderlichen Gefäße und Strukturen.
Für eine gegebenenfalls notwendige Gefäßrekonstruktion werden die distale Aorta mit ihrer Aufteilung der Iliacalgefäße sowie die distale Vena cava mit Teilen der Iliacalvenen entnommen und separat verpackt den Transplantaten mitgegeben. Zusätzlich werden Anteile der Milz und/oder der Lymphknoten zur Gewebetypisierung für jedes zu transplantierende Organ ebenfalls separat verpackt und den Transplantaten in der dafür vorgesehenen Stelle der Transportbox mitgegeben.
9.4.4 Besonderheiten bei speziellen Organentnahmen
Leber-Splitting
Die Leber lässt sich aufgrund ihrer anatomischen Gefäß- und Gallengangsversorgung chirurgisch in Segmente aufteilen, die in besonderen Fällen als Teillebertransplantate Verwendung finden. Vorzugsweise werden die zwei linkslateralen Segmente (Segment 2 und 3) einem Kind, der größere verbleibende rechte Leberanteil (Segmente 4–8) einem ausgewachsenen Empfänger transplantiert.
In der Regel erfolgt das Splitting ex-situ. Dabei wird die Leber nach der Entnahme entweder noch im Krankenhaus auf dem Backtable oder erst später im Transplantationszentrum geteilt. Nur in Ausnahmefällen erfolgt das Splitting in-situ.
Entnahmen zur Darmtransplantation und zu kombinierten Transplantationen unter Einschluss des Darms
Bei Erkrankungen die zu einem irreversiblen chronischen Darmversagen ohne Möglichkeit einer parenteralen Ernährung führen, kann die Indikation zur Darmtransplantation bestehen. Da durch das chronische Darmversagen und die jahrelange parenterale Ernährung Folgeschäden an weiteren Organen auftreten können, kann auch eine kombinierte Transplantation mehrerer Viszeralorgane, eine sog. Multiviszeraltransplantation, in seltenen Fällen notwendig sein.
Da diese Entnahmen eine gesonderte Expertise erfordern und Entnahmeoperation und Empfängeroperation aufgrund der geringen Ischämietoleranz des Darms eng miteinander abgestimmt sein müssen, erfolgen diese Entnahmen durch ein Team aus dem Transplantationszentrum, welches den Darm bzw. die Organe über Eurotransplant für einen Wartelistenpatienten vermittelt bekommen hat.
9.4.5 Beurteilung der Organe
Der von der Koordinierungsstelle beauftragte verantwortliche Entnahmechirurg nimmt eine ergänzende Charakterisierung des jeweiligen Spenderorgans vor und dokumentiert diese unter Verwendung des jeweiligen Organ Reports (s. DSO-Verfahrensanweisungen).
In diesem Zusammenhang können weitere Zusatzuntersuchungen (z.B. Pathologie) indiziert sein, welche durch den DSO-Koordinator in einem Vertragslabor/-institut der DSO veranlasst werden.
Histologische Diagnostik bei Spenderlebern: Gemeinsame Empfehlungen von DGP, DTG and DSO
Schleicher C, Kreipe HH, Schemmer P, Strassburg CP, Fischer-Fröhlich CL, Rahmel A, Flechtenmacher C.Chirurg. 2019 Nov;90(11):899-904. doi: 10.1007/s00104-019-0990-5.
German recommendations for pretransplantation donor kidney biopsies.
Pisarski P, Schleicher C, Hauser I, Becker JU.Langenbecks Arch Surg. 2016 Mar;401(2):133-40. doi: 10.1007/s00423-016-1384-5. Epub 2016 Mar 19
Werden Organe durch den Entnahmechirurgen als nicht transplantabel eingestuft, verbleiben sie im Körper des Spenders oder werden zur weiteren Diagnostik an die Pathologie weitergeleitet. In jedem Fall ist eine histologische Untersuchung zur Qualitätssicherung anzustreben, um die zur Ablehnung führende Diagnose zu überprüfen.
Gibt es Hinweise, dass die Veränderungen des als nicht transplantabel eingestuften Organs negative Auswirkungen auf die Qualität der anderen Organe dieses Spenders haben könnten (z.B. Tumorerkrankung), muss eine pathologische Untersuchung (Beauftragung durch die DSO) unverzüglich erfolgen.
Bei viszeralen Organen erfolgt im Zuge der Entnahmeoperation eine Fotodokumentation nach standardisiertem Vorgehen. Ziel der Fotoaufnahmen ist zum einen die verbesserte Unterstützung der Ärzte in den Transplantationszentren im Rahmen der Beurteilung eines Organangebots durch zusätzliche Informationen über die Organqualität. Zum anderen ergänzt die Fotodokumentation die Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Organentnahme.
Organspezifisch ist ein Mindeststandard an Fotoperspektiven vorgegeben (s. Anlage DSO-Verfahrensanweisungen "Musterfotos der organspezifischen Standardperspektiven). Darüber hinaus können bei Bedarf (z.B. Verletzung eines Organs, anatomische Besonderheiten) zusätzliche Fotoaufnahmen notwendig sein. Um die Fotodokumentation kümmern sich die an der Organentnahme beteiligten Mitarbeitenden der DSO.
9.5 Abschluss einer Organspende
Nach korrekter Zählkontrolle erfolgt der sachgerechte und würdevolle Verschluss der Operationswunden. Hierfür ist in der Regel das Team zuständig, das den Hautschnitt durchgeführt hat. In jedem Fall liegt die Verantwortung hierfür bei dem Team, das die Organentnahme beendet.
Der verantwortliche Entnahmechirurg, das beteiligte OP-Pflegepersonal und der DSO-Koordinator bestätigen den fachgerechten Wundverschluss, die Hautsäuberung und die Entfernung von Kathetern und Zugängen schriftlich auf der Sicherheits-Checkliste
(s. Materialien).
Für alle an der Organentnahme Beteiligten ist der würdevolle Umgang mit dem Verstorbenen oberstes Gebot. Der Leichnam kann aufgebahrt werden, so dass die Angehörigen sich von dem Verstorbenen in Ruhe verabschieden können – sofern sie dies wünschen.
Der DSO-Koordinator unterstützt das Krankenhauspersonal bis zum Abschluss der Organspende.
ACHTUNG
Bei nicht natürlichem Tod oder ungeklärter Todesart kann von der Staatsanwaltschaft verfügt werden, dass der Verstorbene mit allen Zugängen der Rechtsmedizin übergeben wird (s. 05. Staatsanwaltschaft).