Die zweitägige Jahrestagung der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) bot auch dieses Mal den fast 800 Teilnehmenden eine optimale Fortbildungsplattform, um sich über aktuelle medizinische und politische Entwicklungen im Bereich Organspende und Transplantation zu informieren und auszutauschen. Diese Förderung des Wissenstransfers nutzten erneut insbesondere die Transplantationsbeauftragten, auf die wie bereits in den vergangenen Jahren mehr als die Hälfte der Teilnahmen entfielen und denen in den Entnahmekrankenhäusern eine Schlüsselrolle beim Erkennen möglicher Organspender zukommt. „Und ihre Aufgabe ist wichtiger denn je, denn international sind wir in Deutschland weiterhin das Schlusslicht bei der Organspende“, erklärte der
Medizinische Vorstand der DSO, Dr. med. Axel Rahmel. Er sieht den Kongress daher als Impulsgeber und Motivator, der den Partnern der Gemeinschaftsaufgabe Organspende bisher Erreichtes, aber vorrangig auch neue Optionen aufzeigt, wie einzelne Schritte im Organspendeprozess weiter optimiert werden können.
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Eine solche Option, die in der DSO-Region Baden-Württemberg zur Förderung der Organspende umgesetzt wurde, stellte
PD Dr. med. Christina Schleicher, Geschäftsführende Ärztin der Region, vor. Mit dem standardisierten
Fortbildungskonzept „wissen.entscheiden.geben“, das die DSO und die Baden-Württemberg Stiftung gemeinsam initiierten, kann bedarfsgerecht und problemorientiert auf Verbesserungspotenzial bei der Organspende in den Kliniken reagiert werden. Das Interesse an den Fortbildungen ist groß: Von 2021 bis Oktober 2023 gab es 38 durchgeführte Workshops mit insgesamt 431 Teilnehmenden, der Favorit dabei war das Thema „Angehörigenbegleitung – Entscheidungsbegleitung für Angehörige“. Schleicher zufolge ist eine umfassende Auswertung des Projektes für 2025 geplant und es wird diskutiert, dass das Konzept dann auch von anderen Regionen adaptiert werden könnte.
Personal- und Zeitprobleme sind auf den Intensivstationen eine permanente Herausforderung und verschärften sich nochmals während der vergangenen Pandemiejahre. Um daher für Unterstützung der Transplantationsbeauftragten gerade beim entscheidenden Schritt der Spendererkennung zu sorgen, wurde an der Hochschulmedizin Dresden in Kooperation mit der DSO DETECT entwickelt. Das Tool filtert automatisch die regelhaft erhobenen Daten der Patienten und Patientinnen, die aktuell auf den Intensivstationen behandelt werden. Hierbei sucht es anhand definierter Parameter, die als Indikatoren für einen potenziell eintretenden irreversiblen Hirnfunktionsausfall (IHA) gelten, die relevanten Fälle heraus. Wie
DSO-Koordinator Konrad Pleul berichtete, weisen bisherige Ergebnisse auf eine hohe diagnostische Genauigkeit hin: So verpasste DETECT keine Fälle, bei denen während des Aufenthaltes tatsächlich der IHA festgestellt wurde, bei einer vergleichsweise niedrigen Falsch-Positiv-Rate. Genau das ist der unschätzbare Vorteil von DETECT: Denn nur dann, wenn die wenigen in Frage kommenden Patientinnen und Patienten überhaupt erkannt werden, kann die Anzahl der möglichen Organspenden erhöht werden. Seit Oktober 2021 arbeiteten die Entwickler intensiv an der Verbreitung von
DETECT und immer mehr Kliniken interessieren sich für die Software, die unter Open-Source Lizenz läuft und die mit mehreren PDM-Systemen genutzt werden kann.
Inwieweit zudem die Organqualität verbessert werden kann, um möglichst viele Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten mit einem passenden Organ zu versorgen, das langfristig seine Funktion behält, war ebenfalls vorherrschendes Thema auf dem Kongress. Bereits während der Entnahme-Operation könnte laut
Univ.-Prof. Dr. med. Tobias Piegeler vom Universitätsklinikum Leipzig die richtige
Anästhesie nicht nur dafür wichtig sein, die auf der Intensivstation eingeleiteten organprotektiven Maßnahmen bis zur Konservierung der Organe fortzuführen. Sie scheint zudem noch einen weiteren Nutzen haben: Es mehren sich auch Hinweise darauf, dass Anästhetika – obwohl eine Vollnarkose wegen des IHA nicht indiziert ist – aufgrund ihrer bekannten immun-modulatorischen und anti-inflammatorischen Eigenschaften sich auch bei der Organspende günstig auf das Ergebnis der Transplantation auswirken. Entsprechende Studien sind laut Piegeler in Vorbereitung, da bisher kaum Daten verfügbar sind und auch keine explizite Handlungsempfehlung vorliegt.
Besser erforscht ist mittlerweile das
virtuelle Crossmatch – und zwar so gut, dass die virtuelle Allokations-Kreuzprobe im Januar 2023 in die Richtlinie Empfängerschutz der Bundesärztekammer aufgenommen wurde. Diese Methode sei sehr sensitiv und könne einen enormen Zeitvorteil bei der Organallokation bringen, berichtete
PD Dr. med. Teresa Kauke von der Ludwig-Maximilians-Universität München. In den USA wird das virtuelle Verfahren seit 2020 angewandt, in Großbritannien sogar bereits seit 2010. Auch im Eurotransplant-Verbund ist bei der Allokation von Niere und Pankreas verstorbener Spenderinnen und Spender daher seit Januar 2023 auf die virtuelle Kreuzprobe umgestellt worden, sodass die übliche CDC-Referenzmethode entfällt. Im Empfängerzentrum wird jedoch weiterhin kurz vor der Transplantation eine lymphozytäre Kreuzprobe durchgeführt. Allerdings betonte Kauke, dass auch zukünftig der Erfahrungsaustausch der Zentren untereinander zu diesem Verfahren sowie generell eine Standardisierung notwendig sind.
Als Standard findet sich zukünftig in den Verfahrensanweisungen der DSO die
Fotodokumentation von zur Transplantation entnommenen abdominellen Organen, um den für die Transplantation verantwortlichen Ärzten die bestmögliche Entscheidungsgrundlage für die Akzeptanz oder Ablehnung eines Organangebots zu liefern. Dies ist bedeutsam, da die Qualität eines Organs letztlich den Erfolg der Transplantation mitbestimmt.
PD Dr. med. Dr. med. habil. Christian Mönch vom Westpfalz-Klinikum GmbH war 2014 Mitinitiator dieser Idee der Bilddokumentation, die noch im selben Jahr in einem Pilotprojekt “FoQuex – Fotodokumentation zur Qualität explantierter Organe“ mündete. Mönch betonte nachfolgend die Vorteile, die FoQuex mit sich bringt: So werden unter anderem durch die Bilddokumentation viele Informationen gewonnen, es können möglicherweise unnötige Transporte vermieden werden, die Vigilanz wird erhöht, es wird eine Vergleichbarkeit geschaffen bezüglich von Entnahmefehlern, was wiederum zu einer Qualitätssteigerung führt und sicherlich werden sich durch die Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz in Hinblick auf die Bildauswertung zukünftig weitere Vorteile entwickeln – und für alles werden lediglich standardisierte Fotos von entnommenen Organen benötigt, die einfach und mit guter Qualität anzufertigen sind.
Eine Verbesserung der Organqualität verspricht zudem die
Maschinenperfusion.
Apl. Prof. Dr. med. Falk Rauchfuß vom Universitätsklinikum Jena stellte dazu den aktuellen Stand bei den
abdominellen Organen vor. Ein zentrales Ziel aller verwendeten Verfahren ist es, die Ischämieschäden zu reduzieren. Im Vergleich zur normalen Kühlung, die zwar kostengünstig und transport-unaufwändig ist, haben sowohl die hypo- als auch die normotherme Maschinenperfusion weitere entscheidende Vorteile, gehen aber auch jeweils mit einigen Einschränkungen einher. So ist das hypotherme Verfahren relativ preiswert und bereits etabliert bei marginalen Organen, es ermöglicht aber keine direkte Abschätzung der metabolischen Leistung und auch keine pharmakologische Modulation – im Gegensatz zur normothermen Maschinenperfusion, die wiederum sehr teuer ist und bei deren Ausfall ein Organverlust droht. Rauchfuß sieht ferner noch Verbesserungspotenzial durch eine standardisierte Umsetzung, in die alle Zentren eingebunden werden.
Prof. Dr. med. Christian Hagl von der Ludwig-Maximilians-Universität München schilderte, inwieweit die Maschinenperfusion bei der
thorakalen Organtransplantation unterstützen könnte: Auch hier geht es letztlich darum, mit der Maschinenperfusion Organe mit hoher Qualität zur Verfügung zu stellen, die Anzahl abgelehnter Organe zu reduzieren und dadurch die Zahl transplantierter Organe zu erhöhen. Die Maschinenperfusion ist bezüglich Herz und Lunge von besonderer Wichtigkeit, da einerseits die Empfänger dieser Organe zumeist multimorbide sind und andererseits das Spenderalter in Deutschland im internationalen Vergleich zudem deutlich höher liegt. Hagl stellte die verschiedenen Maschinenperfusions-Methoden für Herz und Lunge vor und zog das Fazit, dass, richtig angewendet, die isolierte Maschinenperfusion dieser thorakalen Organe eine sichere und effektive Methode zur Organprotektion sei. Es sind aber auch hier weitere Untersuchungen nötig, um die „optimale“ Perfusion zu bestimmen, auch was Ein- und Ausschlusskriterien marginaler Organe betrifft.
Ein Update zum Stand des geplanten
Organspende-Registers mit Fokus auf den Aufgaben der Transplantationsbeauftragten gab
Dr. Stefanie Weber vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Denn bevor das Online-Register im ersten Quartal 2024 an den Start geht, müssen die Entnahmekrankenhäuser (EKH), genauer ihr medizinisches Personal, daran angebunden sein. Diese Anbindung ist seit September 2023 möglich und umfasst drei Schritte: Als erstes benennt jedes EKH so genannte Verwaltende Personen, die abrufberechtigt sind (APK-V), und meldet diese an das BfArM. Nach dessen Bestätigung erfolgen die zwei nächsten Schritte direkt im Abrufportal des Organspende-Registers: Die APK-V schließen die Registrierung ab, sodass das EKH an das Register angeschlossen ist (Onboarding). Zudem können die APK-V bei Bedarf weitere APK benennen, die sich ebenfalls im Register registrieren können. Wie Weber schilderte, laufen diese Schritte des Onboardings der EKH an das Register jedoch eher zögerlich an: Während bisher zumindest 40 Prozent von ihnen APK-V benannt haben, haben nur ganze 5 Prozent der EKH den zweiten Schritt, also den Registrierungsprozess, abgeschlossen. Für den späteren Zugriff der APK-V auf das Register, um nach Organspende-Erklärungen suchen zu können, muss die Registrierung aber komplett erfolgt sein. Dabei und bei Rückfragen unterstütze das BfArM sehr gerne, wie Weber betonte. Diese Hilfe ist für viele Transplantationsbeauftragte notwendig und wichtig, denn – so zeigte die anschließende Diskussion – nicht alle Abläufe scheinen selbsterklärend zu sein bzw. zu funktionieren. Außerdem gerate der Registrierungsprozess wegen struktureller Probleme in den EKH selbst teilweise ins Stocken, berichteten einige Anwesende. Es sind also noch viele Fragen offen, so das Fazit.
Einen gelungenen Abschluss des DSO-Kongresses bot der Auftritt von
Gudrun Manuwald-Seemüller,
Bera Wierhake und Marcel Michna vonTransDia Sport Deutschland e.V., die sich bei allen Anwesenden dafür bedankten, dass sie durch ihre Beteiligung am Organspendeprozess schwer Erkrankten die Chance auf ein neues Leben ermöglichen. Sie selber haben vor Jahren jeweils eine Spenderleber erhalten und beschlossen, das neue Leben zu „feiern“ – und genau das haben sie sehr erfolgreich im Sport umgesetzt. Alle drei haben Bestleistungen bei den diesjährigen World Transplant Games in Perth, Australien, erbracht und wollen durch ihre Erfolge insbesondere den Transplantationsbeauftragten, der DSO und allen an Organspende und Transplantation Beteiligten eine Motivation für deren Einsatz vermitteln. Manuwald-Seemüller erklärte, dass sie sich alle auf die World Transplant Games 2025 in Dresden freuen und dass dies hoffentlich ein Anlass sein wird, dass hierzulande noch mehr Bürgerinnen und Bürger miterleben, welch großartiges Geschenk das zweite Leben für Organempfängerinnen und -empfänger sein kann.